Rezension "Julius Mendheim - Auf den Spuren eines genialen Schachmeisters des frühen 19. Jahrhunderts"

von Frank Hoppe

"Julius Mendheim" von Arno Nickel
"Julius Mendheim" von Arno Nickel
Frank Hoppe

Vier bis fünf Jahre haben die (natürlich nicht tagtäglichen) Recherchen gedauert, dann hatte Arno Nickel genügend Material zusammen um sein Buch über Julius Mendheim fertigzustellen. Nicht alle Geheimnisse konnte Nickel lüften über den "zweifellos stärksten Schachspieler Deutschlands im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts", wie der gebürtige Leipziger Schachmeister Jacques Mieses in der Jüdischen Rundschau am 20. November 1936 schrieb. Dieses Zitat findet sich auf Seite 203 des Buches, wo Nickel einen Auszug des Mieses-Textes "Zur Erinnerung an Julius Mendheim" wiedergibt. Zurecht versah Nickel den Untertitel seines Buches mit einem Hinweis auf "einen genialen Schachmeister des frühen 19. Jahrhunderts". Über sehr viel Respekt vor dem Können und den Leistungen Mendheims zeugt auch ein Nachruf in der Vossischen Zeitung von einem J. M., den Nickel als Julius Minding (1808 - 1850) identifiziert.

Nickel hat sein Werk in drei große Abschnitte unterteilt. Im ersten schreibt er ausführlich über Mendheim und seine Familienangehörigen, über die er teilweise viel mehr herausbekam als über Mendheim selbst. Nach einem sehr interessanten Exkurs in die Geschichte des Berliner Schachs und seiner Kaffeehäuser stehen die Werke und Arbeiten von Mendheim im Mittelpunkt. Eines der bedeutendsten ist dabei wohl das 1814 erschienene "Taschenbuch für Schachfreunde", eine Aufgabensammlung zur "Belustigung in Stunden der Muße", wie Mendheim im Vorwort schrieb. Von diesem Buch existieren weltweit nur noch einige Exemplare, darunter eins in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel. Dank Arno Nickel steht das Werk nun wieder in vielfacher Ausfertigung zur Verfügung: Auf den Seiten 117 bis 140 hat er einen Nachdruck untergebracht, der uns die Faszination der mendheimschen Aufgaben miterleben läßt.

Das zweite Buch von Mendheim ließ lange auf sich warten. Erst 18 Jahre später erschien es als ausführlichere Fortsetzung des ersten Buchs unter dem Namen "Aufgaben für Schachspieler nebst Auflösungen". Auch dieses Werk läßt Nickel wiederauferstehen mit einem Nachdruck auf den Seiten 141 bis 172. Als besonderes Bonbon enthält das Buch nicht nur viele neue Aufgaben, sondern auch die kommentierte, von Januar 1829 bis Oktober 1831 gespielte Korrespondezpartie zwischen dem Berliner Klub (Nickel vermutet dahinter nicht nur den sogenannten "Alten Club", sondern auch Spieler die nicht diesem Klub angehörten) und dem Breslauer Schachklub. Da die Sütterlinschrift für manchen Leser schwer zu lesen ist, gibt Nickel die Partie separat mit lateinischen Buchstaben wieder.

Insgesamt nehmen die Korrespondenzpartien einen breiten Raum in Nickels Buch ein. Er gibt alle gefundenen Partien kommentiert wieder, darunter die beiden von Mendheim geleiteten gegen Breslau und die beiden gegen Magdeburg, wo Mendheim einem Spielkomitee angehörte. Unter den sechs weiteren Partien findet sich auch die wohl einzige erhaltene Partie Mendheims, die dieser am Brett spielte. Er gewann sie Anfang der 1830er Jahre gegen einen unbekannten Spieler, der als "A." oder "Amateur" bezeichnet wurde. Ab Seite 72 gibt Nickel diese Partie mit teilweise zeitgenössischen Kommentaren wieder.

Nach den beiden ersten Abschnitten ("Julius Mendheim und seine Zeit" und die beiden Aufgabenbücher) schließt das Buch im dritten Abschnitt mit zehn Seiten unter dem Titel "Materialien". Hier kommen u.a. der schon erwähnte Mieses, sowie Hanstein, von der Lasa und Lehfeldt zu Wort. Zwei Schachgedichte der Berliner Schachgesellschaft im 19. Jahrhundert runden das Buch von Nickel ab.

Jetzt bin ich noch die Antwort schuldig nach den eingangs erwähnten Geheimnissen die noch um Mendheim schlummern. Arno Nickel fand trotz intensiver Recherchen in Archiven von Staat, Bibliotheken und Kirchen und der Unterstützung zahlreicher Schachfreunde nicht das genaue Geburtsdatum von Julius Mendheim heraus. Im Kirchenbuch der Friedrichswerderschen Kirche Berlin ist nur das Sterbedatum angegeben: 25. August 1836. Und er starb im 56. Lebensjahr. Nach genealogischen Recherchen nimmt Nickel Februar/März 1781 als "sehr wahrscheinlich" als Zeitraum der Geburt an. Aufgrund dieser Unklarheit und der dagegen zahlreich überlieferten Lebensdaten der Familie, spekuliert Nickel auf Julius Mendheim als "adoptiertes oder uneheliches Kind".
Das zweite Mysterium rankt sich um ein Bildnis von Julius Mendheim. Hans Holländer (1932 - 2017) fand bei Recherchen zum "Alten Club" eine Notiz von Gottfried Schadow. Danach wurde das Mendheim-Bildnis bei der Klubauflösung 1847 mitgenommen. Seitdem ist es verschollen.

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Frank Hoppe

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Kommentare

Kommentar von Andreas Lange |

Ich habe es mit Genuss gelesen und konnte es ohne berichtigende Bleistiftanmerkungen an einen anderen Schachfreund weitergeben. Gut gemacht!

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